Philosophie

(Sepp J. Wölker, MA; Sammler)
...die verloren geglaubte Urkraft des Surrealismus zeigt im künstlerischen Schaffen von Frau Helga Nadja Arlow eine verblüffend neue Vitalität. Was Aragon meinte, wenn er schrieb "Das Laster, das man Surrealismus nennt, ist der hemmungslose und leidenschaftliche Gebrauch der Droge Bild" wird in den Arbeiten der Wiener Künstlerin faszinierend sichtbar. In ihren Arbeiten klingt mancher Leitgedanke der großen surrealistischen Tradition an, ohne ihn gedankenlos zu tradieren. Sie entwickelt freilich eine unverkennbar persönliche Farb- und Bildsprache, und doch bleiben die Epiphanien von Breton, Duchamps, Aragon, Ernst, Dali, Fuchs, oder wie sie auch heißen mögen, begreifbar ihr künstlerischer Bezugsrahmen.
Man muss nicht "La femme 100 tète" von M. Ernst kennen, oder Betrons "Nadja", um schnell zu verstehen, wie geschickt Helga Nadja Arlow ihre Strategie durchhält, Banalität und Abstumpfung zu entgehen, wie sie disparate Elemente verknüpft, auch bekannten Materialien neue Gestaltungskraft gibt.
Modernes Acrylglas wird Medium. Aber den Fund beim Gang zum Flohmarkt scheut sie ebenso wenig einzubauen, wie die am südländischen Strand gesammelten Muscheln, die z.B. einer ganzen Serie von Bildern eigenen Charakter (und Namen) geben.


Die surrealistische "gelebte Poesie" ("poesie vecue") ist ihr künstlerisches Leitmotiv, wenn denn eine Dominante ihrer Schaffenskraft isoliert werden sollte.


Sie baut subtile Farb- und Materialwelten vor uns auf, sie scheut keine (selbst-)ironische Thematik, nutzt stilsicher das hochartifizielle, das vermeintlich amateurhafte Zeichnen in all der wuchtigen Farbflächigkeit und zwingt den Betrachter förmlich in den Bann ihres neosurrealen "Eigensinns". Ergebnis jedenfalls sind aufregende Bilder und Objekte; in ihrer neuesten Schaffensphase regelrechte Bilderwelten.


Ein moderner Wiener Surrealismus ist im Entstehen. Und er hat einen neuen Namen.


Nicht von ungefähr lebt und arbeitet Frau Arlow in Wien, in einem der bekannten Zentralgestirne des Surrealismus, denn hier haben schon immer profane Heilsverkündung und stumpfe Realität helle Funken geschlagen. Nicht nur im Kontext Wien gilt für die Arbeiten von Frau Arlow das Diktum von Reverdy: "Je weiter die Begriffe, die das Bild zusammenführt, in der Wirklichkeit auseinander liegen, desto schöner das Bild".
Das bekannte "Möglichkeitsspiel" der alten Surrealistengarde erhält von ihr neue künstlerische Optionen. Wer den Katalog "Juegos Surrealistas" der großartigen Ausstellung von J.J. Lebel (Fundación Thyssen-Bornemisza, Madrid 1996) aufklappt, wird exemplarisch dargelegt bekommen, woran Frau Arlow´s Kunst anknüpft: an den unendlich verletzten Spieltrieb des Menschen. Sie weiß ob des Irrweges der kopflastigen Ratio und des Unbekannten der eigenen Seele. Dennoch: sie zeigt uns neue, effektvolle Optionen auf. Surreale zwar, aber eben fürs tägliche "Möglichkeitsspiel".


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